Kusta als Klassenlehrer

Vor fünfzehn Jahren lernte er Kusturica kennen und tauchte ein in die Welt des Schauspiels. Hinter ihm stehen drei große Filme: „„Papa ist auf Dienstreise“, „Time of the Gypsies“ und „Underground“, Serien „Top-Liste der Surrealisten“ und „Slozna braca (Brüder die zusammenhalten)“, großartige Rollen wie die des Perhan und Muta. Er besuchte die Musikschule, liebt Rock ‚n‘ Roll-und Rege, schauspielert einfach, und „nur dann, wenn die Kameras angehen“. Ist mit Leuten aus Sarajevo und Belgrad befreundet, ein Optimist und glaubt an sich selbst. Vom Sternzeichen her ist er doppelte Jungfrau und glaubt nicht ans Schicksal. Er erhielt die Schauspielauszeichnung auf dem Festival in Nis, war für den „Feliks“ in Paris nominiert, wo er 1989 zum einem der fünf besten Darsteller Europas gekürt wurde. Da war Davor Dujmovic nur zwanzig Jahre alt.

Es war nicht leicht Davor zu erreichen. Zurückgezogen und misstrauisch. Nach fünf Jahren
stimmt er einem Zeitungsinterview zu. Er ist etwas schüchtern, bescheiden, intelligent, realistisch, sympathisch und anders. Gerne erzählt er über vergangene Zeiten, raucht viel und trinkt Kaffee mit viel Zucker.

Klavier statt Akkordeon…

Wie kam er zum Film?

Ich bin im wesentlichen Musiker. Das sagte ich in Cannes auf einer Pressekonferenz.
Als Kind haben mich Mama und Papa in der Musikschule angemeldet, ich entschied mich fürs Klavier. Wir waren arm, ich hatte kein Instrument, aber meine Mutter kannte die Putzkraft in der Schule, die mir nachts das Klassenzimmer aufschloss, und ich habe dort geübt. Natürlich habe ich nicht das geübt was ich hätte üben sollen, ich habe immer einige ihrer gluposti. Aber, am nächsten Tag, im Unterricht, habe ich die Noten vor mich gelegt und das gespielt was ich sollte. Die Musikschule befand sich vor dem Gebäude, wo das Casting für den Film „Papa ist auf Dienstreise“ stattfand. Ich ging zum Probedreh, gefiel Kusturica und alles nahm irgendwie seinen Lauf.

Wie reagierten darauf deine Freunde, die Umgebung und deine Eltern?
Damals hat es noch niemand so ernst genommen, beginnend mit mir, meinen Eltern, Freunden. Erst nach der Goldenen Palme im Cannes wurde es wichtig und ich wurde bedeutend, mir selbst und den anderen. Es folgten An- und Wiedererkennungen auf den Straßen, einige Privilegien.

Wie siehst du heute auf deine Anfänge?
Wir haben mit Liebe gearbeitet. Heute ist alles anders. Wenn jemand eine Stelle bei Kusturica erhält, freut er sich am wenigsten aus Liebe zu diesem Geschäft, sondern vielmehr aus Eitelkeit, dem Auskurieren seiner Komplexe, dem Geld. Ich liebte die Zeit, als man noch mit den Filmkameras arbeitete. Alles sah viel natürlicher aus, was sich auch auf der Leinwand wiederspiegelte. Ich bin ein Gegner der Elektronik.

Perhan als Schicksal …

Die Rolle des Perhan hat dir die meisten Auszeichnungen gebracht?
Perhan kam als Schicksal, um die Hauptrolle nach dem Film „Papa ist auf Dienstreise“ zu erhalten. Perhan ist ein Kult von etwas romanischem und wird dies noch die nächsten zweihundert Jahre sein.

Viele behaupten, dass „Time of the Gypsies“ Kustas (Kusturicas) bester Film ist. Kannst du von dir selbst behaupten ein Künstler zu sein?
Verschiedene Menschen bezeichnen sich selbst als Künstler, und ich finde es etwas daneben darüber zu reden. Geurteilt an dem was ich geschafft habe, wäre es dumm zu sagen ich sei kein Künstler. Ich weiß nicht, ob jemand aus dem ehemaligen Jugoslawien, mit Ausnahme von mir, für den Oskar nominiert war. Ich denke, dass jemand, der unter den fünf besten Akteure in Europa war, so wie ich, schon ein Künstler sein kann. Für mich ist das so eine Art Rock ‚n‘ Roll. Ich bin in der Lage verschiedene Arbeiten auszuüben, und diese hätten einen künstlerischen Wert. Was auch immer ich mache, bemühe ich mich, dass es nicht einfach und bequem wird.

Deine Rollen fallen unter die Kategorie schwierigerer Schauspielaufgaben. Wie schwierig ist es diese Charaktere zu erschaffen und wie viel von deiner selbst und deiner Ideen steckst du in diese Rolle?
Große Anzahl an Rollen habe ich in Absprache mit dem Regisseur erhalten. Diese Vereinbarung schafft ausreichend Raum, um arbeiten zu können. Ich denke nicht, dass die Film-Schauspielerei eine große Philosophie ist. Es ist mehr eine Sache der Chemie, des Gefühls. Das Scenario ist das „Skelett“, das respektiert werden muss, und 99 Prozent von dem was vor der Kamera geschieht sind meine Ideen in Zusammenarbeit mit dem Regisseur. In „Top Liste der Surrealisten“ gab es dieses Skelett, aber es war alles erlaubt. Oft passierte es, dass die Kamera aktiviert wurde, ohne dass jemand weiß was ich sagen werde. Ich lese und höre die Aussagen von Schauspielern über ihre Vorbereitung auf eine Rolle, wie man da „in einen Charakter eintaucht (steigt)“, sich Transformiert und wenn man so etwas hört könnte man Meinen, dass die Schauspieler sehr zu leiden haben. Das Theater ist etwas anderes. Ich kann mir das Szenario durchlesen und in etwa vorstellen, wie das aussehen sollte. Erst wenn ich auf die Szene trete, mein Kostüm anziehe und meine Partner ihre Kostüme anziehen, läuft das was sein sollte. Das Szenario ist irgendwo im Unterbewusstsein, und was getan werden muss, ist die normalste Sache beim Film. Noch habe ich bei keinem Sciencefiction-Film mitgespielt.

„Mondschauspiel“ (Mjesečeva Predstava) …

In Sarajevo hattest du die Gelegenheit auch im Theater zu spielen…

Mladen Materic und ich haben in Sarajevo das Stück „Mondschauspiel“ ins Leben gerufen. Das Stück war ohne Text, und damit waren wir in Edinburgh zur Gast, im IC-Theater in
London. Es ist ein Theaterstück über das Jeck Nicolson sagte, dass es ihm eine Ehre wäre/sei mitspielen zu können. In diesem Theaterstück, als auch in London, erhielt ich ausgezeichnete Kritiken, die fotokopiert und an der Akademie in Sarajevo zur Schau gestellt wurden. Es war eine Aufführung die total anders war als andere.

Hast du es versucht auf der Akademie aufgenommen zu werden?

Nein. Ich scherze manchmal, dass ich die Akademie nur besuchen würde unter der Bedingung dort zu unterrichten. Ich meine, dass keine Notwendigkeit dafür bestand, weil ich mich mit der Schauspielerei beschäftigen wollte bis ich davon genug habe, bzw. bis das Publikum und die Kamera genug von mir hätten. In der Tat hatte ich nie die Absicht ein Schauspieler zu werden. Es wäre dumm nach 800 Stunden vor der Kamera und nach den Filmen mit Kusturica die Akademie zu besuchen.

Kusta (Kusturica) der Lehrer …

Wen empfindest du als deinen Lehrer?
Das ist absolut Emir Kusturica. Wir kennen uns seit 15 Jahren. Abgesehen von den gemeinsamen Dreharbeiten, des Teilens eines Appartemants und eine Filmaufnahme von ihm dauert länger als 1 Jahr. Selbst, wenn wir nicht gedreht haben, waren wir zusammen, während all dieser Zeit bis zum Kriegsbeginn. Ich habe viel vom Kameramann Vilko Filaca gelernt, der alle Filme von Kusta aufgenommen hat. Kusta war für uns alle wie ein Klassenlehrer.

Passiert es manchmal, dass die Rolle, die du vorbereitest und spielst, in dein Leben außerhalb der Kamera, „hineinspaziert“?
Ich hatte das Glück vor der Kamera spielen zu lernen, ab dem Zeitpunkt, an dem die Kamera an ging. Bei den Dreharbeiten zu „Slozna braca (Brüder die zusammenhalten)“ hat der Regisseur versucht, mir eine Szene zu erklären, aber Nele hat ihn unterbrochen und ihm gesagt, er solle mich „machen lassen“, so wie ich es mir vorstelle. Und nach diesem Kader hat Nele geweint vor Lachen. Diese Szene wird auf dem Video-Band „Slozna braca (Brüder die zusammenhalten)“zu sehen sein.

Wie entstand „Mute“?
Nele und ich sind die einzigen alten Sarajevarischen „Surrealisten“ in Belgrad. Vor zweiundhalb Jahren, sprachen wir über die Serie, nur so, unverbindlich, und Nele schrieb währenddessen so langsam das Scenario auf. Für die Figur, die ich spiele, haben wir uns entschieden, weil ich in der Serie „Top-Liste der Surrealisten“ einen sehr guten Sketch hatte, wo ich in der Fabrik des „Nichts“ völlig ausraste. Dann haben wir uns entschlossen, dass ich ein nervöser Schnurbärtiger sein werde, der keine Ahnung von irgendetwas hat.

Wie sind die Reaktionen auf diese Figur?
Nach all dem was ich gedreht habe, bin ich an diverse Lobe, Kritiken, Provokationen… gewöhnt. Auf positive Reaktionen reagiere ich positiv auf negativ indifferent. Viele Leute wollen unter allen Umständen in Kontakt mit mir treten. Viele wissen nicht, wie sie es anstellen sollen, so dass es zu Provokationen und blöden Annäherungsversuchen kommt, während einige ganz normal auf einen zukommen und um ein Autogramm bitten. Mir ist es bewusst, dass das der Preis des Ruhms ist.

Vor kurzem haben die Surrealisten, die in Sarajevo geblieben sind, Ihre Top-Liste der Surrealisten gedreht. Wie hast du das/sie erlebt?
Es/Sie ist in schwierigen Kriegs und Politik-Bedingungen entstanden. Dieses Team hat dem ganzen politischen Druck standgehalten. Sie haben etwas erschaffen, was den vorherigen Surrealisten ähnelt. Es war sicherlich schwierig, dies zu tun, denn es geschah dass mitten in den Aufnahmen das Bombardieren begann. Und dann räumst du Kameras,Beleuchtung weg und solltst eine Humorsendung / Komoedie drehen. Diese Leute haben all das ausgehalten. Was die Politik anbelangt, sind sie neutral geblieben. Ich wűrde sie hoch bewerten in Bezug auf die Bedingungen unter denen sie arbeiteten und was das was wichtig ist in Ihrer Top-Liste der Surrealisten gibt es keinen Hass auf irgendjemanden.

Viele denken, dass in der Serie „Slozna braca (Brüder die zusammenhalten)“ Branko Djurica-Djuro fehlt?
Leute vergessen, dass die Zeit vergeht/fließt. Djuro ist zur Zeit in Slowenien, und arbeitet dort beim TV. Er wäre sicherlich ein großes Plus im „Slozna braca (Brüder die zusammenhalten)“ aber nicht so sehr wie die Leute denken. Diese Serie unterscheidet sich sehr von die „Top-Liste der Surrealisten“.

Wie würden Sie sich beschreiben?
Weiß nicht, dass könnte ich nicht beantworten. Das beantworten meistens andere. „Schoen und reich wie ein Schauspieler“.

Ich fragte, weil die Zuschauer oft den Schauspieler mit der Figur die er spielt identifizieren doch bin ich sicher, dass du nicht so bist und auch nicht sein willst wie Perhan oder Mute?
Die Menschen sind sehr merkwürdige Wesen. Nach jedem Film oder Serie, fällt ihnen als erstes die Figur die ich spiele ein, aber wenn sie mich ein wenig länger betrachten wuerden, wűrden sie mich sicherlich Davor nennen. Ich habe mich daran gewoehnt, aber ich weiß, dass ich bis zum Lebensende nicht Mute bleiben werde. Perhan hat bereits begonnen etwas zu jenjava …

Deine Vision der Zukunft, Pläne …
Dies ist eine komplizierte Frage, vor allem für mich, da ich meine Stadt verlor. Ich habe keine konkrete Pläne, und denke dass ich sie in naher Zukunft auch nicht haben sollte. Ich warte darauf, dass sich die Situation beruhigt … Im Fernsehen kann man jeden Tag Sendungen sehen, die unter jedem Niveau sind, die ohne jegliches Kriterium ausgestrahlt werden. Ich warte darauf dass dies vorbeigeht und denke mir: „ lass sie, lass sie sich alle austoben, dann wird hoffentlich/wahrscheinlich etwas beginnen was Wert hat, oder? Sie wissen, dass ich ein guter Schauspieler bin, aber … Ich warten darauf, dass sich die ganze Erde/ der ganze Erdeball beruhigt Optimist mit Grund…

Dein Musikgeschmack?
Die einfachste Antwort ist Rock n’ Roll und Rege. Das ist die Musik, die ich höre, schätze und achte. Natürlich ist auch der heimische Rock n’ Roll dabei – YU-Notalgie. Von Rege mag ich
am liebsten Bob Marley, vom Rock her Stones, Police. Und der heimische Rock ‚n‘ Roll hat
so seine eigene Geschichte …

Bist du ein Optimist?
In der Regel, ja. Vor allem, wenn etwas von mir abhängt. Dann kann ich ein Optimist mit Grund sein. Ich glaub’ an mich.

Lebensmotto, wonach strebst du?
Geld.

Schicksal?
Ich glaube nicht an das Schicksal, Hokuspokus und Horoskope. Im Horoskop bin ich doppelte Jungfrau, was viele entsetzt. Ich habe einige Horoskope gelesen und konnte mich selbst in ihnen nicht finden. Ich würde das Schicksal eher in Zufall umbenennen, denn Schicksal ist eine religiöse Form.

Liebe. Wie viel davon trägst du in dir und wie viel Kraft erhältst du von ihr?
Ich vermute, dass ich eine emotionale Person bin. Liebe, egal wie sie ist, nimmt viel Einfluss auf mich. Ich kann nicht sagen, dass von ihr alles abhängt, aber sie reicht aus um meine Stimmung zu verändern. Meine Definition der Liebe ist: Liebe geschieht zufällig, und in schwierigen Situationen sieht man, wie stark sie ist.

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